+ Jahresprognose deutlich gekappt
+ Vorstandsvorsitzender Bögershausen nimmt seinen Hut
+ Aktie bricht massiv ein
Mit Beginn des Novembers nimmt die negative Nachrichtenlage beim Lübecker Maschinenbauer SLM Solutions dramatisch Fahrt auf. Nach einer schweren Panne bei einem Großauftrag muss die Jahresprognose nun deutlich eingekürzt werden. Die Aktie gibt erneut massiv nach. Mittlerweile gibt es auch personelle Konsequenzen.
Großauftrag vorerst gestoppt
Aber der Reihe nach: Im November des vergangenen Jahres schloss man einen u.a. 20 SLM800-Maschinen umfassenden Rahmenvertrag mit einer chinesischen Gesellschaft aus dem Energiesektor. Das Geschäft wurde damals auf ein Volumen von mindestens 37 Mio. Euro beziffert. Offenbar sind in der Zwischenzeit bereits erste Maschinen ausgeliefert worden.
Doch nun die dramatische Wende: Offenbar ist es bei einer der ausgelieferten SLM800-Maschinen zu einer schwerwiegenden Beschädigung „durch den Kunden, bzw. seinen Beauftragten“ gekommen, wie es in einer Mitteilung seitens SLM Solutions heißt. Die Maschine sei nun nicht mehr in der Lage künftig hochwertige Produkte zu erstellen.
Besonders ärgerlich könnte noch ein anderer Aspekt werden: Offenbar ist es zur genannten Beschädigung gekommen, während die Maschine Referenzbauteile zur Abnahme der Maschine fertigen sollte. Das bedeutet wohl: Die Maschine war rechtlich noch nicht abgenommen. Nichtsdestotrotz soll der Schaden nun vorerst über die Versicherung des Kunden abgewickelt werden, doch es erscheint durchaus möglich, dass es hier noch zu einem Rechtstreit kommen wird.
Diese Fakten hin oder her, in jedem Fall kommt es so zu Verzögerungen bei der Erfüllung des Großauftrages, nicht zuletzt auch deshalb weil der namentlich nicht genannte Großkunde scheinbar nicht bereit ist weitere Geräte abzunehmen, ehe der Schadensfall am aktuellen Gerät nicht abgewickelt ist. Insofern verschiebt sich ein Großteil des Auftrages ins Jahr 2019, sodass nun auch eine Prognosekappung fällig wurde. Anleger werden hoffen, dass es lediglich bei einer Verschiebung bleibt und nicht gar zu einer Stornierung des Gesamtauftrages kommt.
Jahresprognose gekappt
In einer weiteren Unternehmensmitteilung wurde demnach also auch die Jahresprognose einkassiert und drastisch gekürzt. Der Umsatz in 2018 soll nun noch lediglich bei 90 bis 100 Mio. Euro liegen. Bisher hatte man 115 bis 125 Mio. Euro prognostiziert. Auch bei der unsäglichen Ebitda-Marge müssen Anleger eine Giftpille schlucken. Statt bisher 11 bis 13% wird inzwischen nur noch von einer Ebitda-Marge im einstelligen Bereich gesprochen.
Uwe Bögershausen nimmt seinen Hut
Darüberhinaus gibt es nun auch weitere personelle Konsequenzen aus diesem dramatischen Geschäftsjahr bei SLM. So hat der Finanzvorstand und „Vorstandssprecher“ – wie man den Vorstandsvorsitzenden bei SLM Solutions zu nennen pflegt – Uwe Bögershausen dem Aufsichtsrat mitgeteilt, dass er seinen bis zum Juni 2019 laufenden Vertrag nicht verlängern werde. Der Bögershausen-Abgang ist damit wohl der vorläufige Schlussakkord in einer Reihe von Rücktritten, in welchen sich nach und nach der gesamte Vorstand die Klinke in die Hand gab.
In einer weiteren Mitteilung nennt Uwe Bögershausen „persönliche Gründe“ für sein Ausscheiden. Es sei nun „an der Zeit, meine Aufgaben in andere Hände zu legen und auf diese Weise einen Wandel einzuleiten“, lässt sich Bögershausen zitieren. Und: Er sehe das Unternehmen für die Zukunft „personell gut aufgestellt“.
Aufgrund des Satzes, es sei Zeit einen Wandel einzuleiten, darf man wohl doch erhebliche Zweifel an der Aussage haben, es seien rein persönliche Gründe für den Abgang ausschlaggebend gewesen. Bereits bei den zahlreichen personellen Veränderungen in der Vergangenheit war stets von „persönlichen Gründen“ die Rede, weshalb wohl auch diesmal die Spekulationen ins Kraut schießen werden. Hier zeigen sich die Nachteile einer Kommunikationspolitik, die nicht immer mit offenen Karten spielt.
In jedem Fall offenbart sich erneut das Dilemma, in welchem sich SLM Solutions seit der gescheiterten GE-Übernahme steckt. Zwar ist man mit der additiven Fertigungstechnologie („3D-Druck“) auf einem absoluten Wachstumsmarkt aktiv, doch das Geschäft machen bisher weitgehend die anderen, während man in Lübeck seit Jahren gefühlt auf der Stelle tritt. Die Aufwendungen wachsen, der Umsatz nicht.
Probleme häufen sich zunehmend
So gibt es seit Monaten keine positiven Nachrichten mehr aus dem Unternehmen. Während früher jeder neue Auftrag bejubelt wurde, schweigen die Telegraphen-Masten inzwischen fast schon schmerzhaft. Auch die vielen Messeauftritte scheinen nahezu völlig fruchtlos geblieben zu sein. Und so steht man momentan mit einem neuen Riesenwerk mit zu wenigen Aufträgen da. Die Abhängigkeit von zu wenigen Kunden gerade aus dem asiatischen Raum ist immernoch viel zu groß. Das beweist auch der aktuelle Vorfall erneut. Bereits die Verzögerung eines einzigen Auftrages reicht aus, um die Jahresprognose völlig umzuwerfen.
Selbst wenn es einmal die ganz großen Nachrichten aus der Branche gibt, wird das Geld von anderen verdient. Erst im September wurde bekannt, dass der Flugzeugbauer Airbus als erstes Unternehmen weltweit für seinen A350 ein Bauteil in Serie drucken wird. Ein lukrativer Auftrag wie man meinen könnte. Doch er ging an den Konkurrenten EOS – ein Auftragsverlust, der SLM bis heute schmerzt, hatte man doch bisher damit geworben, zwar nicht die billigsten, aber die besten Maschinen zu bauen. Doch ausgerechnet in der Luftfahrt – einer Branche, die wie keine andere für Qualität in der Produktion steht – setzt man nun auf EOS-Geräte. Ein Umstand den nicht wenige als Image-Schaden für SLM Solutions bewerten.
Aktie gibt deutlich ab
An der Börse gibt die SLM-Aktie heute am Tag nach der Bekanntgabe massiv nach. Mit 13,00 Euro notiert man knapp 14% leichter als am Vortag. Die Ad-hoc-Meldungen hatte man gestern erst kurz nach Handelsschluss verbreitet, womöglich um zu verhindern, dass die Aktie vom Handel ausgesetzt werden muss.
Auf Jahressicht sieht die Bilanz für die SLM-Aktie sogar noch düsterer aus. Seit Januar hat die Aktie rund 72,8% ihres Wertes eingebüßt – ein Wertverlust den man nicht alle Tage sieht. Die Wandelanleihe ist heute noch nicht gehandelt worden. Mit 86,75% notiert sie jedoch weiterhin auf einem Allzeittief. Offenbar rechnen immer weniger Anleger damit, ihr Geld bei SLM noch in voller Höhe wiederzusehen.
Wende dringend erforderlich
In jedem Fall täte SLM Solutions gut daran nun einmal wirklich die von Uwe Bögershausen angesprochene Wende einzuleiten, bevor irgendjemand anfängt, eine Cash-Burn-Rate auszurechnen und zu propagieren. Die üblichen Ratschläge an Unternehmen in solchen Lagen, Kosten zu sparen, erscheint angesichts des aktuell völlig überdimensionierten neuen Werkes, fast wie blanker Hohn. Ohne Frage: Bei SLM müssen endlich Aufträge an Land gezogen werden!
Quellen:
Mitteilung I: Gewinnwarnung
Mitteilung II: Gewinnwarnung und Erläuterungen zum Großauftrag
Mitteilung III: Bögershausen-Abgang
Mitteilung IV: Bögershausen-Abgang
Mitteilung vom 14.11.2017: Großauftrag
Bericht der FAZ vom 21.09.2018: 3D-Druck in Serie