Ein depressives Drägerwerk schockt seine Anleger mit düsterem Ausblick

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+ Umsatzminus & Wertberichtigung erwartet
+ Pandemie gar als Wachstumshemmer?
+ Stefan Dräger im Kreuzfeuer der Kritik

Die Medizinbranche gilt gemeinhin als der große Gewinner der Corona-Pandemie. Auch das Drägerwerk konnte in den Jahren 2020 und 2021 erhebliche Umsatz- und Gewinnsteigerungen einfahren. Der Aktienkurs haussierte zeitweise. Doch davon ist offenbar nicht viel übrig geblieben. Im Gegenteil: Eine neue ad hoc-Meldung schockiert die Anleger. Die Unternehmensmitteilung liest sich wie der Abgesang eines Weltunternehmens.

Wirkt die Corona-Pandemie langfristig negativ für Dräger?

Noch im vergangenen Jahr konnten die Dräger-Aktionäre, wie auch die Genussschein-Inhaber zumindest in finanzieller Hinsicht die Sektkorken knallen lassen. Zwar verhieß der Beginn der Corona-Pandemie auch für Sie nichts Gutes, doch die Kurse der Dräger-Wertpapiere schienen nach oben plötzlich keine Grenzen mehr zu kennen. Verständlicherweise, denn schließlich hatte unter den Nationalstaaten ein regelrechtes Wettrennen um die schnellsten und größten Bestellungen über z.B. Beatmungsgeräte eingesetzt. Dementsprechend stark waren die Produktionsanlagen von Dräger ausgelastet. Die Umsätze stiegen, die Gewinne explodierten regelrecht.

Dräger Fahnen
Die Dräger-Flagge weht im Wind: Von der Corona-Pandemie konnte das Lübecker Unternehmen erheblich profitieren – oder doch nicht? | © Drägerwerk AG & Co. KGaA

Doch rasch wurde offenbar vielen Anlegern klar, dass diese Geschichte kein Happy End haben würde. Erst versalzte man den Genussschein-Inhabern die Suppe, indem Dräger die Papiere gerade noch rechtzeitig kündigte, um diese gemäß der Genussschein-Bedingungen zu Spottpreisen vom Markt nehmen zu können. Und auch den Aktionären wurden die wahren Konsequenzen der hohen Nachfrage offenbar zunehmend bewusst: dauerhaft in den Markt eintretende neue Wettbewerber, Ausbau von Produktionskapazitäten welche künftig nicht ausgelastet werden können und ein starker Nachfrage-Einbruch nach der Pandemie sind da nur einige der Schlagwörter, welche zunehmend für Verunsicherung sorgten und den Aktienkurs jüngst praktisch wieder auf Vorkrisen-Niveau sinken ließen.

Dass sich die Befürchtungen der Kritiker bewahrheiten sollten, zeigt nun eine Unternehmensmitteilung – und wie! Üblicherweise ist es nicht die Art des SH-Investors Pressemitteilungen und ad hoc-Meldungen abzukopieren. Dies hat Der SH-Investor nie getan und wird es auch in Zukunft nicht tun. Doch um die Tragweite und den Tonfall der Meldung 1:1 rüberzubringen, sei hier einmal die Mitteilung des Drägerwerks im Wortlaut abgedruckt:

Drägerwerk AG & Co. KGaA: Umsatz und Ergebnisrückgang in 2022

Wie zuvor kommuniziert, erwartet Dräger für das kommende Geschäftsjahr einen Rückgang bei Umsatz und Ergebnis. Auf Basis der vorläufigen Planung lässt sich die Erwartung nun präzisieren. Für 2022 geht das Unternehmen von einem Umsatzvolumen von rund 3 bis 3,1 Mrd. Euro aus. Das Umsatzvolumen liegt damit deutlich unter den beiden durch die Corona Pandemie begünstigten starken Vorjahren. Verglichen mit 2019, dem Jahr vor der Corona Pandemie, entspricht dies einem Umsatzwachstum von rund 8 bis 11 Prozent. Die EBIT-Marge in 2022 wird zwischen 1 und 4 Prozent erwartet.

In den vergangenen Wochen hat sich die Nachfrage nach Produkten im Zusammenhang mit der Corona Pandemie merklich abgeschwächt. Dieser Trend wird sich auch 2022 weiter fortsetzen. In einigen Märkten kam es im Laufe der letzten zwei Jahre zu außergewöhnlich hohen Investitionen in intensivmedizinisches Gerät, wie z.B. Beatmungsgeräte, die in dieser Form nicht fortgesetzt werden.

2022 wirkt sich neben dem geringeren Umsatzvolumen auch eine erwartete niedrigere Bruttomarge negativ auf das Ergebnis aus. Abnehmende Verkäufe von Beatmungsgeräten führen zu einer geringeren durchschnittlichen Marge. Neben diesem ungünstigeren Produktmix belasten auch deutlich höhere Preise bei Vorprodukten, Rohstoffen und Elektronikkomponenten und unverändert hohe Fracht- und Logistikkosten die Profitabilität. Zugunsten eines stärkeren mittelfristigen Wachstums investiert Dräger zudem in ausgewählten Fokusmärkten gezielt in den Ausbau von Strukturen und spezifischen Fähigkeiten in den Vertriebsorganisationen. Gleichzeitig setzt Dräger seine Innovationsoffensive in der Medizintechnik fort und investiert dafür in F&E Projekte.

Ab 2023 wird Dräger zu positivem Wachstum zurückkehren und auch wieder eine höhere Profitabilität ausweisen.

Für 2021 geht die Unternehmensleitung weiterhin von einem gegenüber 2020 währungsbereinigten Umsatzrückgang von zwischen -2 und -6 Prozent und einer EBIT-Marge zwischen 8 bis 11 Prozent aus. Dabei ist nunmehr ein EBIT im Bereich des unteren Endes der Bandbreite wegen Einmalaufwendungen wahrscheinlicher: Aufgrund der starken Überkapazitäten auf dem globalen Markt für FFP-Masken und des damit einhergehenden Nachfrageeinbruchs wird Dräger seine im Zuge der Pandemiebekämpfung aufgebauten Produktionskapazitäten für Masken im nächsten Jahr nicht auslasten können. Folglich wird ein Teil der 2020 und 2021 getätigten Investitionen wertberichtigt werden müssen. Ebenfalls wird die Fertigung für den Dräger COVID-19 Home Test bis auf weiteres eingestellt, da videoüberwachte Selbsttestungen aus politischen Gründen nicht mehr als 3G-gültiger Testnachweis anerkannt werden. Die Einmalaufwendungen in Höhe von rund 30 Mio. Euro belasten das Ergebnis des vierten Quartals.

Vorläufige Geschäftszahlen für das laufende Geschäftsjahr und die finale Prognose für 2022 wird Dräger Mitte Januar 2022 veröffentlichen.
(© Drägerwerk AG & Co. KGaA)

Corona-Pandemie suboptimal gemanagt?

Wie man sieht strotzt die Meldung derart vor schlechten Nachrichten, dass sich manchem Anleger der Vergleich mit dem biblischen Hiob aus dem alten Testament aufgedrängt haben wird. Auch im Ton gibt sich das Drägerwerk fast schon depressiv bis lethargisch. Wüsste man nicht, dass es sich beim Drägerwerk um ein sehr großes und finanziell auf soliden Beinen stehendes Unternehmen handelt, man müsste sich mitunter Sorgen um den Fortbestand des Unternehmens machen.

Doch auch so sind die Sorgen um das größte deutsche Medizintechnik-Unternehmen bereits groß. Vielen Aktionären scheint es so, als sei die Corona-Pandemie alles andere als gut gemanagt worden. Diese Kritik liest man zuletzt immer öfter. Sowohl Inhalt, Begründung, als auch Zeitpunkt der Mitteilung erscheinen aus Sicht des SH-Investors zudem höchst fraglich. So fragen sich die Anleger beispielsweise, weshalb sich nun offenbar ein plötzlicher Bedarf nach Wertberichtigung im Bereich der FFP-Maskenproduktion ergibt. Die Nachfrage nach entsprechend zertifizierten Masken hat sich schließlich weder schlagartig, noch völlig unerwartet nach unten entwickelt. Warum nun also sämtliche 30 Mio. Euro Wertberichtigung – welche buchhalterisch unstrittig sein dürften – per ad hoc veröffentlicht und allein dem vierten Quartal 2020 angelastet werden, bleibt offen.

Auch die Abschreibung der aufgelaufenen Kosten im Fall der zertifizierten Selbsttests sorgt unter den Anlegern für Ärger. So ist der Verkauf der Tests offenbar bereits am 15. Oktober eingestellt worden. Dass im Q3-Bericht hierüber nicht berichtet wird, ist nicht nur unverständlich, sondern könnte aus Sicht des SH-Investors gar eine fehlerhafte, bzw. verspätete Information des Kapitalmarktes darstellen. Stattdessen veröffentlicht man dies nun offenbar per ad hoc-Mitteilung, welche sämtliche schlechten Nachrichten bündelt, die sich in den vergangenen Wochen, Monaten, wenn nicht gar Jahren angesammelt haben.

Dräger Hauptsitz
Im Visier der Kritiker: Die Chefetage des Drägerwerks im linken Gebäude oben | © Drägerwerk AG & Co. KGaA

Rücktrittsforderungen gegen Stefan Dräger

Viele Anleger scheinen angesichts der jetzigen Mitteilung offenbar nicht nur verärgert, sondern regelrecht außer sich. Vielfach wird der Rücktritt von Stefan Dräger gefordert. Ihm lasten die Anleger die jüngste Misere, wie auch überhaupt die enttäuschende Unternehmensentwicklung der vergangenen Jahre an. Doch auch an der Agenda des Drägerwerks gibt es längst Zweifel. Versucht man den Aktienkurs absichtlich nach unten zu bringen, um unter Umständen günstig Aktien aufkaufen zu können? Werden nach den Genussschein-Inhabern nun auch die Minderheitsaktionäre geschlachtet? Diese Fragen werden in der kommenden Zeit zu beantworten sein. In jedem Fall haben die Kritiker mit dem gestrigen Tag in erheblichem Ausmaß neue Nahrung erhalten.

Der Aktienkurs tendiert entsprechend. Mit einem Abschlag von rund 9% notieren die Stammaktien derzeit im Minus. Die Vorzugsaktien waren börsenbedingt gestern auch nach Veröffentlichung der Mitteilung noch handelbar und haben gar um 13,4% an Wert eingebüßt. Die Genussscheine bleiben von den jüngsten Meldungen naturgemäß unbeeindruckt. Sie sind längst gekündigt und ihr Rückkaufpreis steht bereits fest.


Hinweis: Der Autor dieses Beitrags hält zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Stamm-Aktien der Drägerwerk AG & Co. KGaA. Er plant derzeit keinen Kauf oder Verkauf dieser oder abgeleiteter Wertpapiere.

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