Was macht eigentlich… die Lillebräu GmbH?

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+ Kein Eigenkapital mehr vorhanden
+ Genusskapital aufgezehrt
+ Aber: 2020 mit Jahresgewinn

Drei Jahre ist es her, dass die junge Lillebräu GmbH mit ihrem Brauerei-Neubau startete. Zur Finanzierung gab man damals eigens Genussscheine heraus. Wie hat sich die Gesellschaft seither entwickelt und wie laufen die Geschäfte? Der SH-Investor hat einmal genauer hingeschaut.

Hohe Anlaufverluste belasten die Lillebräu-Bilanz

In und um Kiel ist das Lille-Bier der noch jungen Brauerei Lillebräu insbesondere unter jungen Leuten durchaus bekannt und beliebt. Das ist eine durchaus beachtliche Leistung, bedenkt man, dass das Unternehmen erst 2015 mit dem Verkauf startete und vier Jahre später seine eigene Brauerei in Betrieb nahm. Diese Erfolge sind nicht zuletzt auf das große Engagement der beiden Lille-Gründer Florian Scheske und Max Kühl, sowie einer starken Vernetzung mit der eigenen Kundschaft zurückzuführen. Diese Punkte dürften bei Lillebräu als absolut vorbildlich gelten. Etwas weniger positiv sieht es zumindest bisher jedoch in Sachen Finanzen aus.

Dass zu Beginn eines Brauerei-Neubaus ersteinmal Anlaufverluste entstehen ist weder verwunderlich, noch dramatisch. Und so überrascht es nicht, dass Lillebräu im Jahr 2019 einen Jahresverlust in Höhe von rund 258.000 Euro einfuhr. Deutlich problematischer ist hingegen jedoch, dass das Eigenkapital damit bereits gänzlich aufgezehrt ist. So weist die Bilanz für das Jahr 2019 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von über 230.000 Euro aus.

Keine insolvenzrechtliche Überschuldung

Für gewöhnlich müsste ein Unternehmen in diesem Fall aufgrund von Überschuldung (§19 Abs. 1 InsO) einen Insolvenzantrag stellen. Der Gesetzgeber gibt Unternehmenseignern jedoch die Gelegenheit den Insolvenzgrund Überschuldung durch sogenannte Eigenkapital-ersetzende Darlehen abzuwenden (§19 Abs. 2 InsO). Dies erfolgt, indem die Gesellschafter der Gesellschaft ausreichend liquide Mittel zur Verfügung stellen und für diese Forderung einen Rangrücktritt erklären. Dadurch wird die – aus Sicht der Gesellschaft – Verbindlichkeit im Insolvenzfall nachrangig, weshalb fremde Gläubiger hierdurch nicht benachteiligt werden können.

Und tatsächlich erklärt die Lillebräu GmbH in ihrem Jahresabschluss: „Die Gesellschaft ist buchmäßig überschuldet. Es liegen allerdings ausreichend hohe Rangrücktritte vor, die nach Beurteilung der Geschäftsführung eine insolvenzrechtliche Überschuldung vermeiden. Eine Bewertung nach going-concern-Gesichtspunkten i.S. des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist somit zulässig.“ Bilanzleser sollten mit Blick auf die reinen Zahlen also nicht erschrecken. Vielmehr liegt mit den bestehenden Rangrücktritten offenbar nach wie vor funktionelles Eigenkapital vor. Ob es mit Blick auf die Bonität von Lillebräu jedoch vielleicht schlauer gewesen wäre, diese Gelder direkt als Kapitalrücklage in das Unternehmen einzubringen, sei einmal dahingestellt. Zudem verrät die Lillebräu GmbH auch auf SH-Investor-Anfrage bisher nicht, wie hoch das Puffer durch Rangrücktritte insgesamt ist.


Exkurs: Zur Geschichte der Lillebräu GmbH

Es war das Designstudium an der Muthesius-Kunsthochschule, welches die beiden Unternehmensgründer Florian Scheske und Max Kühl zusammenführte. Ihre Bierleidenschaft brachte sie dazu, 2014 die Gründung von Lillebräu zu verabreden. Bis heute besitzen beide 50% der Anteile am Unternehmen.

Der Start erfolgte mangels eigener Braukapazitäten vorerst als sogenannte Kuckungsbrauerei. Während man für die Produktion also Kapazitäten fremder Brauereien anmietete, diente eine kleine Experimentierküche in den alten Räumen der Muthesius-Kunsthochschule – der sogenannten „Alten Mu“ – am Kieler Lorenzendamm der Entwicklung erster eigener Sorten. Und so konnte man den Kielern 2015 erstmals selbstentwickeltes Bier verkaufen.

Doch die beiden Gründer wollten Lillebräu nicht auf Dauer als Kuckucksbrauerei weiterführen, sondern auch eigene Kapazitäten schaffen. Und so besorgte man sich nicht nur Gelder von Banken und Wirtschaftsförderung, sondern gab zur Finanzierung des Brauerei-Neubaus 2018 auch eigens einen Genussschein heraus. Die Anzahl war auf 666 Stück limitiert – andernfalls hätte ein Wertpapierinformationsblatt für die Anleger erstellt werden müssen.

Zu dieser Zeit erlangte Lillebräu nicht zuletzt durch eine Reportage im NDR-Fernsehen große Aufmerksamkeit. Anfang 2019 war die neue Brauerei dann endlich fertig, sodass nicht nur die Produktion starten, sondern auch die Geschäftsleitung seinerzeit von der Kuhnkestraße in den Eichkamp auf das heutige Lillebräu-Gelände umziehen konnte.

Die ausgegebenen Genussscheine waren schnell ausverkauft – nicht nur wegen der geringen Stückzahl, sondern auch aufgrund der sehr hohen Nachfrage. Dieses große Interesse inspirierte die Gründer dazu, ab dem Jahr 2019 ein weiteres Papier zu emittieren: Das „Kieler Bier Papier“, eine Art langjähriger Liefervertrag welcher per Vorkasse bezahlt wird. Im Gegensatz zu den Genussschein-Inhabern erhalten die Besitzer des Bier-Papiers ihren eingezahlten Betrag am Ende der Laufzeit jedoch nicht wieder zurück.


Genusskapital aufgezehrt, Jahresgewinn in 2020

Wichtig sind die Bilanzzahlen neben den Gläubigern natürlich vor allem auch für die zahlreichen Genussschein-Inhaber, welche Lillebräu im Jahr 2018 ihr Vertrauen schenkten und die neuen Wertpapiere zeichneten. Dass Lillebräu finanziell derzeit offenbar noch auf tragenden Füßen zu stehen scheint, dürfte gegebenenfalls jedoch nur ein schwacher Trost für die Genusschein-Inhaber sein, verringert sich ihr Genusskapital doch gemäß der Genussschein-Bedingungen um angefallene Verluste. Im vorliegenden Fall ist das Genusskapital somit von ursprünglich 150 Euro pro Schein inzwischen also unumwunden auf 0 Euro gesunken.

Doch zuletzt scheint die Lillebräu GmbH immerhin deutlich besser in Tritt geraten zu sein. So konnte selbst im für alle so schwierigen Jahr 2020 erstmals ein kleiner Jahresgewinn verbucht werden. Gut 14.000 Euro blieben am Ende der Periode in der Lille-Kasse hängen. Es bestehen also durchaus berechtigte Hoffungen, dass die Genussschein-Inhaber ihr Kapital am Ende der Laufzeit von voraussichtlich 25 Jahren doch noch wiedersehen können.

„Kieler Bier Papier“ kann weiter gezeichnet werden

Aber solange es die jährlich versprochene Dividende gibt, wird die Höhe des Genusskapitals den meisten Lille-Genüsslern vermutlich weitgehend egal sein, schließlich darf die Dividende wohl mit Fug und Recht als eine der kreativsten und schmackhaftesten der jüngeren Geschichte bezeichnet werden: So gibt es anstelle von jährlichen Auszahlungen, welche durch anfallende Kapitalertragssteuer aufgezehrt wird, wohlschmeckendes Lille-Bier zu trinken. Ganze zwölf Flaschen á 0,33 Liter warten pro Genussschein jährlich auf ihre Verköstigung. Na dann Prost!

Zwar ist die Neuausgabe von Genussscheinen durch Lillebräu längst Geschichte, doch auch wer jetzt noch von dieser besonderen Naturalien-Dividende profitieren möchte, bleibt bei Lillebräu nicht lang auf dem Trockenen. So gibt die Kieler Brauerei bereits seit 2019 an jeden Interessenten das sogenannte „Kieler Bier Papier“ heraus. Dieses ist zwar kein klassischer Genussschein mit Rückzahlung des Genusskapitals am Ende der Laufzeit, sondern vielmehr ein 25-jähriger Liefervertrag, welcher durch den Kunden per Vorkasse bezahlt wird. Doch das stört viele Bier-Liebhaber offenbar kaum, schließlich dürfen sich auch die Bier-Papier-Inhaber jährlich ihre 12 Flaschen Lille-Bier pro Schein abholen. Über 1.400 Bier-Liebhaber haben bereits zugeschlagen. Das Bier-Papier kostet einmalig 175 Euro bei 25 Jahren Laufzeit.

Fazit: Investment nicht ohne Risiko

Wer an eine strahlende Zukunft von Lillebräu glaubt oder die junge Brauerei mit Lokalkolorit einfach unterstützen möchte, dem sei unter Umständen auch das jetzige Bier-Papier durchaus ans Herz gelegt. Mit Blick auf die oben dargelegten Zahlen, dürfte jedoch auch eine gesunde Skepsis – gerade im Hinblick auf die lange Laufzeit von 25 Jahren – nicht schaden. Eine SH-Investor-Anfrage zu den weiteren Geschäftsaussichten und -erwartungen durch Lillebräu blieb jedenfalls auch nach über einer Woche unbeantwortet. Vorsichtige Bier-Liebhaber genießen das Lille-Bier daher wohl lieber im Schankraum der Brauerei, aus dem Lille-Onlineshop oder aus dem Kieler Einzelhandel.


Update vom 09.04.2022: Bier-Papier eingestellt

Mittlerweile wurden nach Angaben auf der Lillebräu-Website knapp 2.400 Bier-Papiere abgesetzt. Jedoch wurde das Angebot zum 26. März 2022 eingestellt. Hintergrund sind die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Abonnement-Verträge. So müssen diese nach Ablauf der Mindestlaufzeit bereits seit dem 01. Januar 2022 bei stillschweigender Verlängerung fortan monatlich kündbar sein. Doch bisher ist das Bier-Papier auf eine jährliche Verlängerung ausgelegt.

Künftig eine monatliche Verlängerung und insgesamt zwölf Biere pro Jahr? „Da sollte sich doch eine Lösung finden lassen!“, wird sich wohl so mancher Bier-Liebhaber denken. Doch offenbar tut sich die Lillebräu GmbH in der Anpassung der Abonnement-Bedingungen derzeit schwer. Ohnehin dürften die seit dem 01. Januar 2022 abgeschlossenen Bier-Papiere rechtlich auf wackligen Füßen stehen, galt für diese laut Bier-Papier-AGBs entgegen der rechtlichen Rahmenbedingungen weiterhin eine stillschweigende Verlängerung um jeweils ein Jahr. Im Falle einer unterjährigen Kündigung wird sich die Lille-Brauerei demnach vermutlich nachgiebig zeigen müssen.


Hinweis: Der vorliegende Text beruht neben Fakten nicht zuletzt auch auf subjektiven Empfindungen und gibt daher ausschließlich die Meinung des Autors wieder. Der Artikel stellt keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf der genannten oder anderer Wertpapiere dar.

Der Autor ist zudem kein Jurist und kann und darf daher an dieser Stelle weder eine Rechtsberatung anbieten, noch stellt der vorstehende Text eine Rechtsberatung dar.

4 Kommentare

  1. War ja irgendow klar dass das mit der Braurerei schwierig wird. Der Biersabsatz sinkt allgemein und dann kam auch noch Corona. Ich hoffe trotzdem auf eien gute Zukunft von lille. Hab damals den Genußschein gekauft und würd es wieder machen.

    1. Moin lieber Leser,

      vielen Dank für den Kommentar! Tatsächlich ist es sicher nicht ganz einfach, eine neue Brauerei hochzuziehen – Craftbierboom hin oder her. Dennoch kann ich mir durchaus vorstellen, dass es Lillebräu gelingen kann, die Brauerei zum Laufen zu bringen. Die Marke ist aus meiner Sicht regional und emotional hervorragend beim Kunden positioniert worden. Der sinkende Bier-Absatz macht es nicht leichter, klar. Aber vielleicht gelingt es dennoch, in den kommenden Jahren regelmäßige Gewinne an Land zu ziehen, sobald die ersten Anlagenteile abgeschrieben sind und zumindest dieser bilanzielle Kostenfaktor betragsmäßig sinkt. Dann kann ggf. auch das Genussrechtskapital wieder aufgefüllt werden.

      Viele Grüße
      Matthias Nissen

  2. Ich wünsche der Brauerei das beste, jedoch habe ich meine Zweifel das die sie es schaffen mehr Erfolg einzufahren, in der breiten Masse sind sie als frech überteuert abgetan. 9.99€ für 4 Flaschen im Supermarkt oder 50 € für einen Kasten alkoholfreies das ist weit ab von jeglicher Kaufkraft der meisten Schleswig Holsteiner. Damit bleibt es ein Produkt für Besserverdiener mit Hang zu sehr herben Bieren.

    1. Das ist das Problem eigentlich jeder Craft-Brauerei. Um bei dem, meistens doch überschaubaren, Ausstoß rentabel arbeiten zu können, muss ein hoher Preis angesetzt werden. Das Vertriebsgebiet ist i.d.R klein und damit auch der Absatz. Das einzige, was bei Craft-Bier einen geringfügig höheren Preis rechtfertigt, sind die zum Teil teuren Hopfensorten (auf 1 Flasche Bier runtergerechnet sind das aber auch nur Cent-Beträge). Kleine Brauereien haben, im Gegensatz zu Großen, keine Skaleneffekte. Aber trotzdem hört, selbst beim Genusstrinker, die Akzeptanz bei 20-22€ pro Kasten auf. Hoppe-Bräu oder Giesinger verkauft seine Kisten Normalbier um den Preis. Für Sondersorten auch mehr, aber die werden meistens nur flaschenweise gekauft. Lustigerweise sind selbst bei Craft-Brauereien die absatzstärksten Biere irgendwelche Hellen oder Pale Ale die zugänglich, also ohne krassen Bitterwert gebraut sind. Generell werden Biere aus hellen Malze lieber getrunken wie Biere aus dunklen Malzen.

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