+ 1999: Börsengang der Beate Uhse AG
+ Zahlreiche Anekdoten aus 20 Jahren
+ Unternehmen inzwischen insolvent
Auf den Tag genau zwanzig Jahre ist es her, als sich unglaubliche Szenen auf dem Frankfurter Börsenparkett abspielten. Zahlreiche leicht bekleidete Models stürmten den Handelsraum und mischten den Parketthandel auf. „Schuld“ war dabei eine Frau: Beate Uhse.
Glänzende Geschäfte zum Börsengang
Am 27. Mai 1999 ging die Beate Uhse AG an die Börse, um ihr weiteres Wachstum zu finanzieren. Gerade das neu aufkommende Internet bot den Unternehmen damals eine schier unendliche Fülle an Möglichkeiten, die jedoch zuerst finanziert werden mussten. Dass die Beate Uhse AG in der Folge dennoch gerade die neuen Technologien sträflich vernachlässigte, wirkt dabei wie eine Ironie des Schicksals. Doch kurz vor der Jahrtausendwende war die Welt aus Sicht des Flensburger Erotik-Unternehmens noch in Ordnung.
Nicht nur die Geschäfte mit Bezahl-Pornos und Magazin-Material liefen hervorragend. Auch die Aktienemission am neuen Markt war mit einer 64-fachen Überzeichnung sehr erfolgreich. Und so schossen die Flensburger Wertpapiere, die als „Erotik-Aktie“ in die Geschichte eingingen, rasch in die Höhe. Vom Ausgabepreis in Höhe von 7,20 Euro ging es hoch bis auf 28,80 Euro ein Jahr später. Die Bilder vom Börsengang sind bis heute legendär: Anzugtragende Investoren, die sich mit halbnackten Frauen ablichten ließen, Champagner-trinkende Börsenmakler auf dem Parkett und in all dem Getümmel natürlich die hochbetagte, aber über allem stehende Unternehmensgründerin Beate Rotermund-Uhse.
Eine wahrlich schöne Aktie
Mit der Gestaltung der ausgegebenen Aktie reiht sich die Flensburger Gesellschaft in einen zu jener Zeit vorherrschenden Trend ein: Gerade in den Zeiten, in denen die Elektronik-Aktie zunehmend Einzug hielt, wurde jenen Anlegern, die noch auf effektive Stücke setzten, das Design ihrer Wertpapiere immer wichtiger. Und so bildete die Beate Uhse-Aktie mit ihren „nackten Tatsachen“ einen weiteren Punkt in der Reihe zahlreicher weiterer ansehnlicher Wertpapiere der Neuzeit. Seinen Höhepunkt erreichte dieser Trend nach Ansicht vieler Beobachter mit der Ausgabe der legendären „Werner“-Aktie.
Die Achterbahn AG – durch Sitz in Kiel ebenfalls ein schleswig-holsteinisches Unternehmen – hatte mit ihrem Wertpapier die laut zahlreicher Sammler schönste Aktie der Börsengeschichte erschaffen. Noch heute ist das gedruckte Exemplar der Achterbahn AG ein begehrtes Sammlerobjekt. Ausgaben mit noch vollem Dividendenbogen werden zu drei- oder gar vierstelligen Beträgen gehandelt – ein Preis, den die elektronische Version nie erreichte. Auch die Beate Uhse-Aktie wurde durch ihre Gestaltung zu einem echten Wertpapier-Klassiker und konnte selbst viele Jahre nach dem Börsengang noch in den stationären Beate Uhse-Filialen zu 10,- Euro je Stück in physischer Form käuflich erworben werden.
Doch auch nach dem Börsengang sorgte die Beate Uhse AG noch für so manchen Gesprächsstoff. Beispielsweise konnten Aktionäre sich auf den jährlichen Hauptversammlungen in Flensburg mit leichtbekleideten Models an ihrer Seite ablichten lassen – ein Service, von dem zahlreiche Aktionäre gern Gebrauch machten. Wie viele Bilder aus jener Zeit wohl noch heute irgendwo versteckt schlummern?! Auch einen Erotik-Koffer, u.a. mit Porno-CDs bekamen Aktionäre in den meisten Jahren vom Unternehmen ausgehändigt. Doch diese Zeiten sind lange vorbei.
Nach dem Börsengang häufen sich die Probleme
Die Fotos vom legendären Börsengang waren gleichsam die wohl letzten unbeschwerten Bilder in der Geschichte der Flensburger Gesellschaft. Nach dem Börsengang häufte das Management mit erschreckend hohem Erfolg Probleme an. Unter anderem fand man kein wirksames Mittel gegen die aufkommenden Gratis-Pornos aus dem Internet. Auch den Vertrieb der eigenen Produkte über das Internet verschlief man völlig. Viel zu lange hielt man am reinen Filial-Konzept fest.
Doch was letztlich noch schlimmer wiegen sollte: Man verpasste es, der Beate Uhse AG stets ein frisches Image zu verpassen. Zuletzt galt das Unternehmen selbst so verstaubt und verschämt, wie das Establishment, welches es einst bekämpfen wollte. Inzwischen ist zudem fast die gesamte Erotik-Industrie überrollt worden von einem neuen Frauenbild in der Gesellschaft, welchem man sich bisher nicht so recht anzupassen vermag.
Hinzu kamen noch diverse Scharmützel des Managements, welches nach Ansicht einiger Staatsanwälte nicht immer zum Wohle der Beate Uhse AG handelte. Zuletzt agierte die Unternehmensführung nur noch aus dem Ausland heraus. Auch der völlig verzweifelte Umzug nach Hamburg, von dem sich das Management was-auch-immer erhofft haben mag, löste keine substanziellen Probleme.
Ab 2017: Insolvenz und Neuanfang
Und so rutschte die Beate Uhse AG in den späten Zweitausenderjahren ungebremst in die Krise. 2017 folgte dann die Insolvenz der einst so stolzen Gesellschaft. Dennoch soll die Beate Uhse fortgeführt werden. Mit Robus Capital hat ein Finanz-Investor das Zepter übernommen und wird das Geschäft weitgehend auf die neue be you GmbH übertragen. An der Börse wird die neue Gesellschaft jedoch vorerst nicht mehr zu finden sein.
Die Firmengründerin Beate Rotermund-Uhse musste den Niedergang ihres Unternehmens nicht mehr mit ansehen. Die Sex-Pionierin und Flugzeug-Pilotin starb mit 81 Jahren 2001 in der Schweiz.