Drägerwerk: Rückkaufangebot für die Genüsse – Was steckt dahinter?

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+ Genüsse sollen teilweise eingezogen werden
+ Dräger will vermutlich Liquidität reduzieren
+ Angebot könnte sich für Anleger rechnen

Seit knapp zwei Wochen existiert das Rückkaufangebot über die Serie D-Genussscheine des Drägerwerks. Exakt 542,- Euro soll es dabei pro Wertpapier geben. Noch gut eine Woche – bis zum 19.03. – gilt das Angebot. Anleger fragen sich zurecht: Annehmen oder nicht? Einordnungen vom SH-Investor.

Zweifel an der Unternehmensbegründung

Der offiziellen Unternehmensmitteilung zufolge beabsichtigt das Drägerwerk mit dem genannten Rückkauf, die Kapitalstruktur des Drägerwerks bereits in diesem Geschäftsjahr zu vereinfachen und zu verbessern. Der Hintergrund: Da die Genussscheine im vergangenen Jahr mit Wirkung zum 31.12.2022 gekündigt wurden, werden diese ohnehin unabwendbar zum Preis von 546,20 Euro eingezogen. Als weiteren Grund für den Rückkauf führt das Drägerwerk aus, die Genussscheine hätten ihre Funktion als Eigenkapitalinstrument weitgehend verloren und stünden einer optimalen Eigenkapitalfinanzierung des Drägerwerks somit entgegen.

Nun ist gegen obige Feststellungen sicher nichts einzuwenden, gerade der durchaus bedauernswerte Funktionsverlust von Genussscheinen u.a. durch EU-Recht ist unbestritten. Und dennoch hat Der SH-Investor gewisse Zweifel an der Begründung durch das Unternehmen. Schließlich hätten sämtliche noch ausstehenden rund 566.000 Genussscheine der Serie D bei einem Rückkaufpreis von 542,00 Euro einen Marktwert in Höhe von gut 300 Mio. Euro. Das Rückkaufangebot ist laut Mitteilung jedoch auf nur 100 Mio. Euro und damit rund einem Drittel der ausstehenden Genüsse begrenzt.

Wirkungsvolle Vereinfachung der Kapitalstruktur fraglich

Es stellt sich somit die Frage, wie mit einem derart bescheidenen Rückkaufangebot die Kapitalstruktur wirklich nennenswert vereinfacht und verbessert werden kann. Dies wäre höchstens dann anzunehmen, wenn das Drägerwerk letztlich doch von seiner Absicht abweicht und mehr als 100 Mio. Euro für den Rückkauf ausgibt. Dies behält sich das Drägerwerk im Angebot zumindest ausdrücklich vor.

Da die Annahmequote des Angebots jedoch vermutlich ohnehin eher nicht in die Nähe der 100% kommen wird, ist aus Sicht des SH-Investors auch ohne jegliche finanzielle Begrenzung des Rückkaufs ohnehin eher nicht mit einer wirklich starken Bereinigung der Kapitalstruktur zu rechnen. Vielmehr ist der Sinn und Zweck des Rückkaufs wohlmöglich eher aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Attraktiver Abschlag bei Annahme

So schwimmt der Dräger-Konzern momentan schlicht in liquiden Mitteln. Der jüngste Geschäftsbericht weist per 31.12.2020 einen Barbestand in Höhe von knapp 500 Mio. Euro aus. In Zeiten von Negativzinsen kann man sich da aus Sicht des SH-Investors durchaus mal überlegen, das Geld zu nutzen, um beispielsweise die ausstehenden Genussscheine vorzeitig vom Markt zu nehmen. Insofern erscheint das Dräger-Angebot von Seiten der Unternehmensleitung gut durchdacht.

Dabei hat das Angebot wohlmöglich Vorteile für beide Seiten: Das Drägerwerk vermeidet allzu hohe Negativzinsen und die Anleger können ihre Papiere gegen einen nur minimalen Zinsabschlag (0,77%), sowie einen dreimaligen Dividendenverzicht* (wahrscheinlich 3 x 1,90 = 5,70 Euro; somit Gesamtabschlag: 1,81%) bereits über eineinhalb Jahre vorzeitig zu Geld machen. Das dann freigewordene Geld in gut eineinhalb Jahren um 1,81% zu mehren, sollte für viele Börsianer eigentlich kein Problem sein, selbst wenn man in Sachen Geldanlage überwiegend auf Sicherheit z.B. durch dividendenstarke Titel setzt.

Kommen steigende Dividenden?

Jedoch wurde zuletzt auch spekuliert, ob der vorzeitige Rückkauf so eine Art höhere Dividendenankündigung für die Zukunft darstellen soll. Eine höhere Aktiendividende würde dann schließlich auch für die Genüsse anfallen. Ein Verzicht auf die kommenden Dividenden würde somit den oben errechneten Gesamtabschlag in Höhe von 1,81% erhöhen und die vorzeitige Rückgabe der Genussscheine unattraktiver machen.

Da die Dividende für 2021 durch das Lübecker Unternehmen jedoch bereits auf 0,13/0,19 Euro taxiert wurde, erscheint es tendenziell eher fraglich, ob es sich für die Genussschein-Inhaber lohnt, künftig auf deutlich höhere Dividenden zu hoffen. Sofern den Anlegern 2022 und/oder 2023 keine große Überraschung ins Haus steht, rentiert sich ein Abwarten aus Sicht des SH-Investors deshalb wohlmöglich eher nicht.

Fazit

Als Fazit lässt sich somit festhalten, dass es sich für die Genussschein-Inhaber tendenziell eher lohnen könnte, ihre Genüsse mit dem jetzigen Angebot zurückzugeben. Doch das Misstrauen in das Dräger-Management sitzt bei einigen Anlegern offenbar tief, weshalb vermutlich lange nicht alle das Angebot annehmen werden.

Ein Annehmen des aktuellen Angebots könnte regelmäßig unterlassen, wer
– damit rechnet mit seinem evtl. freiwerdenden Kapital bis Ende 2022 weniger als 1,81%-Rendite (plus einem eventuellen Aufschlag für eine möglicherweise steigende Dividende) zu erzielen.
– aufgrund der der nach wie vor andauernden Corona-Krise mit einer auch auf die Börse durchschlagenden Wirtschaftskrise rechnet, deren Wogen sich bis Ende 2022 nicht geglättet haben.
– wegen ähnlicher Risiken oder Nachteile sein Geld auch weiterhin in den vergleichsweise sicheren Dräger-Genussscheinen parken möchte.

*Auch nach der erfolgten Kündigung erhalten die Serie D-Genussscheine noch Dividenden in den Jahren 2021, 2022, sowie 2023.


Hinweis I:
Dem SH-Investor sind Ihre persönliche finanzielle Lage und Ihre Anlageziele nicht bekannt. Der obige Artikel kann daher keine Anlageberatung darstellen. Der SH-Investor ist weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage Anlageberatung zu leisten. Die Benutzung des Inhaltes erfolgt auf eigene Gefahr. Ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals ist möglich.


Hinweis II:
Der Autor des Beitrags hält zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Stammaktien der Drägerwerk AG & Co. KGaA. Er plant derzeit keinen Kauf oder Verkauf dieser oder anderer Wertpapiere des Unternehmens, sowie abgeleiteter Wertpapiere.

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